Sprecherrat des Landkreisbündnisses neu gewählt

Auf der jüngsten Sitzung des Landkreisbündnisses gegen Rechts Weißenburg-Gunzenhausen wurde der Sprecherrat des Bündnisses neu gewählt. Neben den bisherigen drei Vertretern im Sprecherrat, Erkan Dinar (DIE LINKE), Harald Dösel (SPD und GEW) und Victor Rother (solid), die sich erneut zur Wiederwahl stellten, wurden zusätzlich Hamit Bakir und Christopher Gruber neu in das Gremium gewählt. Bakir vertritt im Bündnis unter anderem den Verein für Interkulturelle Begegnung „So fremd? – So nah?“ und Gruber ist für den Freundeskreis Jugendzentrum e.V. in den Sprecherrat aufgerückt. Die Mitglieder des Bündnisses sind sich einig, dass eine Verbreiterung der Spitze und dadurch auch die Verteilung der Arbeit auf mehr Schultern als bisher der richtige Weg für die Zukunft sei.

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Victor Rother, Hamit Bakir Harald Dösel, Erkan Dinar (v.l.n.r.) – Christopher Gruber fehlt

Aktuell sind im Landkreisbündnis die folgenden Gruppierungen aktiv vertreten: Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE Kreisverband Ansbach/Weißenburg-Gunzenhausen, Dienstleistungsgewerkschaft ver.di Bezirk Mittelfranken, Freundeskreis Jugendzentrum e.V., Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Kreisverband Weißenburg-Gunzenhausen, Piratenpartei Weißenburg-Gunzenhausen, [’solid] – die sozialistische Jugend Weißenburg, SPD-Kreisverband Weißenburg-Gunzenhausen, “So fremd ? – So nah ?”- Verein für Interkulturelle Begegnung sowie engagierte Einzelpersonen.

Das Bündnis will auch künftig wachsam sein, präventive Bildungsarbeit gegen rechts unterstützen und konsequent gegen Alltagsrassismus sowie gegen die – nach wie vor, in der Region aktive – Neonaziszene vorgehen.

Dass diese mittlerweile immer dreister auftritt, zeigt sich nicht zuletzt an der „unsäglichen Hetzkampagne, welche die ‚Freien Nationalisten Weißenburg‘ im Kommunalwahlkampf gegen demokratische Parteien losgetreten haben“, betonte Erkan Dinar. Besonders ärgerlich für die Mitglieder des Landkreisbündnisses: Auf zahlreiche Strafanzeigen in ähnlich gelagerten Fällen in der Vergangenheit, denen üble und verleumderische Diffamierungen von Nazi-Gegnern, beispielsweise auf der Homepage der „Freien Nationalisten Weißenburg“, zu Grunde lagen, folgten keine juristischen Konsequenzen. Das Bündnis findet es befremdlich, dass Polizei und Staatsanwaltschaft bisher keinen Ansatz gefunden haben, juristisch verwertbare Information darüber zu gewinnen, welche Personen konkret für die Inhalte der Website der „Freien Nationalisten Weißenburg“ verantwortlich sind. Victor Rother dazu: „Im Rahmen einer Razzia im Sommer 2013 gegen Mitglieder des ‚Freien Netzes Süd“, zu dem auch die Weißenburger Neonazis gehören, gab es doch auch im Weißenburger Raum Hausdurchsuchungen und sicher auch Beschlagnahmen von Computern. Hat man denn bei dieser Gelegenheit nichts Verwertbares gefunden?“

Christopher Gruber stellte angesichts der Ergebnislosigkeit der bisherigen behördlichen Arbeit in den Raum, dass zumindest ausgelotet werden sollte, ob eine Klage in den USA, dem Sitz des Providers der Weißenburger Nazihomepage, möglich sei.

Das Bündnis kritisierte im Rahmen seiner Sitzung auch, dass in Bayern nach den Untersuchungsausschüssen zur NSU-Terrororganisation keine erkennbaren Konsequenzen gezogen wurden: „Nach dem eklatanten Versagen bayerischer Sicherheitsbehörden muss der bayerische Innenminister der Öffentlichkeit gegenüber Rechenschaft ablegen, wie er die Erkenntnisse der Untersuchungsausschüsse umsetzen will“, forderte Hamit Bakir.

Harald Dösel wies zudem darauf hin, dass seit Anfang 2012 ein Landtagsbeschluss zum Verbot des „Freien Netz‘ Süd“ (FNS) existiert. Aus öffentlich zugänglichen Quellen liegen zudem ausreichend Beweise vor, die ein Verbot rechtfertigen. Dösel: „Das Innenministerium wartet offenbar so lange, bis sich das FNS, in dessen Rahmen sich auch Vertreter der ‚Freien Nationalisten Weißenburg‘ häufig und aktiv beteiligen, Ersatzstrukturen geschaffen hat und ein Verbot wirkungslos ist.“

Weißenburg: Nazi-Aussteiger wird bedroht

Am Samstag, den 19. April 2014, um 1 Uhr morgens wurde ein Aussteiger aus der Neonaziszene vor seiner Wohnung in der Geheimrat-Dr.-Dörfler-Straße von vier unbekannten Personen abgefangen. Die Jugendlichen trugen Guy Fawkes – Masken und Kapuzenpullis.

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Mit diesen Masken blieben die Neonazis unerkannt – Fotoquelle: Wikipedia

Dem Aussteiger wurde mitgeteilt, dass er ein „Verräter“ sowie eine „linke Sau“ sei und sowas aufgehängt gehöre. Davor hatte sich der Kreis der vier Neonazis auf dem Spielplatz im Stadtpark getroffen. Die Neonazis entfernten sich als ein Bekannter des Aussteigers dazu kam.

Weißenburg: Eierattacke auf das Haus eines der Sprecher gegen Rechts

Am Samstag, den 19. April 2014, um 2 Uhr morgens wurde das Haus von Erkan Dinar, Mitglied im Sprecherrat des Landkreisbündnis gegen Rechts Weißenburg-Gunzenhausen, in der Weißenburger Altstadt erneut Ziel eines Angriffs. Mit Eiern wurde die Hausfassade, bis hoch zu den Dachrinnen des Brecht(h)aus-Wohnprojekts, eingedeckt. Die vier Fensterscheiben im ersten Stock waren komplett verdreckt. Die Besucher_innen und Bewohner_innen des Hauses gehen von einem rechtsradikalen Hintergrund der Tat aus.

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Eines der Fenster am Brecht(h)aus-Wohnprojekt

Das Brecht(h)aus-Wohnprojekt in der Weißenburger Altstadt war schon einmal Ziel eines Angriffs von Neonazis. Am 15. August 2012 griffen mehrere Neonazis mit einer circa 3 Meter langen Holzlatte die Fensterscheiben des Hauses an. Am gleichen Tag war ein Neonazi aus Pleinfeld wegen Morddrohung zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Hauptbelastungszeuge war damals der Hauseigentümer. Siehe dazu auch den Artikel “Neonazis greifen Haus an” vom 15. August 2012. Dinar wird Anzeige gegen Unbekannt erstatten.

Erkan Dinar dazu: “Ich selber war zur Tatzeit nicht im Haus. Eine Mitbewohnerin hat einen dumpfen Knall gehört. Sie hat jedoch nicht weiter darauf reagiert. Entdeckt wurde das Ergebnis der Eierattacke am nächsten Tag. Wir können leider nicht beweisen, dass es sich um eine Tat der Neonazis handelt. Es würde jedoch in ihr bisheriges Vorgehensschema passen, mit Bedrohungen und Einschüchterungen gegen Nazi-Gegner_innen vorzugehen.”

Weißenburg: „Scheiß Zigeuner. Ihr gehört vergast.“

Wie das Landkreisbündnis gegen Rechts Weißenburg-Gunzenhausen erst jetzt in Erfahrung  bringen konnte kam es in der Nacht von Freitag, den 3. Januar 2014, am Weißenburger Busbahnhof “Am Plerrer”, um kurz vor Mitternacht, zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen einem vermeintlichen Unterstützer der rechtsradikalen Szene und einem 15-jährigen Jugendlichen mit Sinti-Hintergrund.

Der 20-jährige Julian D. aus Weißenburg soll telefonisch den Minderjährigen v.a. mit den Sätzen “Scheiß Zigeuner. Ihr gehört vergast.” und “Ich ficke Deine Mutter und Schwester” beleidigt haben. Eine persönliche Klärung auf friedlichen Wege konnte nicht stattfinden, weil sofort nach Eintreffen des Jüngeren am Weißenburger Busbahnhof die Auseinandersetzung eskalierte. Die Polizei konnte nur mit Mühe und Nachdruck die Situation wieder beruhigen. Dabei kam es auch zum Einsatz von Pfefferspray. In Sichtweite des Geschehens stand der Nazikader und Hitlerverehrer Martin B. aus Weißenburg. Das Landkreisbündnis gegen Rechts Weißenburg-Gunzenhausen stellte zur Aufklärung des antiziganistischen Vorfalls einen Strafantrag nach § 130 StGB Volksverhetzung gegen Julian D. aus Weißenburg.

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Deportation von Sinti und Roma in Asperg, Mai 1940 – Fotoquelle: Wikipedia

Obwohl nie bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Neonazis dabei gewesen, ist Julian D. keine unbekannte Person. Vor drei Jahren viel er erstmalig auf, als er Nazi-Gegnern drohte sie auch noch zu erwischen, weil ihm das Aussehen der Personen nicht passte. Von zwei Aussteigern der Szene wird mittlerweile berichtet, dass er die „Freien Nationalisten Weißenburg“ finanziell unterstützen soll.

In seinem Privatleben wird Julian D. nachgesagt sehr aggressiv zu sein und seine Wut nicht unter Kontrolle zu bekommen. So verletzte er einen 20-jährigen Mann so schwer an einem Auge, dass dieses nur durch einen operativen Eingriff gerettet werden konnte. Dem vorausgegangen war eine verbale Auseinandersetzung. Nach der Erstattung einer Anzeige wurde das Auto des Opfers von Unbekannten zerkratzt am Ellinger Bahnhof aufgefunden. Ob ein Zusammenhang besteht ist nicht bekannt. Die Ermittlungen dazu wurden ohne Ergebnis eingestellt.

Erkan Dinar dazu: „Schon seit längerer Zeit pfeift der Kreis der lokalen Neonaziszene im Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen aus dem letzten Loch. Etliche Distanzierungen und Austritte haben die Zahl der Aktivistinnen und Aktivisten sowie der Unterstützerinnen und Unterstützer auf eine handvoll Leute schrumpfen lassen. Scheinbar nun Grund genug für die Rechtsradiken sich im Nachgang von selbst provozierten körperlichen Auseinandersetzungen mit Minderheiten als Opfer darzustellen, um neue Leute für die rechtsradikale Szene zu gewinnen.

Die ethnischen, kulturellen oder auch religiösen Wurzeln sollten jedoch bei persönlichen Differenzen zwischen Menschen niemals eine Rolle spielen. Deshalb auch unsere Bitte an die Bevölkerung sich nicht auf irgendwelche Sündenbockgeschichten der Rechten einzulassen.“