Das neonazistische Kameradschaftsnetzwerk „Freies Netz Süd“ hatte dieses Jahr zum zentralen Frühjahresaufmarsch am 1.Mai nach Würzburg mobilisiert. Mit etwa 350 Teilnehmern wurde ein weiterer Rückgang der Beteiligung verzeichnet. Gegen den Aufmarsch protestierten nach Polizeischätzungen etwa 8.000 Bürgerinnen und Bürger in einem langen Demonstrationszug durch die Stadt und einem „Fest der Demokratie“ am Unteren Markt.
Seit mehreren Jahren bildet der Aufmarsch am 1.Mai die zentrale Kundgebung des neonazistischen Kameradschaftsnetzwerkes Freies Netz Süd im Frühjahr. Offiziell läuft die Demonstration unter der Verantwortung eines „Nationalen und Sozialen Bündnis 1.Mai“. Zeitweise wechselte der Kundgebungsort zwischen den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg. Das wurde dieses Jahr aufgegeben. Nach Hof im letzten Jahr traf es mit Würzburg wieder ein bayerische Stadt und die größte der bisherigen Kundgebungsorte. Mai-Demos liegen seit einigen Jahren im Trend der rechtsextremen Szene, versucht man sich doch mit sozialem Anstrich zu profilieren.
Das Freie Netz Süd investierte einiges in die Demos. Größere Mengen an Propagandamaterial wird aufgelegt, jede Verteilung auf der eigenen Seite größer abgefeiert. Im Vorfeld gab es auch den üblichen Aktionstag mit sieben Kundgebungen und etlichen Verteilaktionen unterwegs. Auch gibt es jeweils immer ein offizielles Kampagnenshirt. Nach Spiel mit jugendkulturell moderneren Elementen im letzten Jahr, näherte sich das Shirt stark an die nationalsozialistische Ikonographie an, umrahmt von den Worten „national“ und „sozialistisch“, wobei das abgrenzende „Und“-Zeichen grafisch deutlich zurücktritt. Diese Trennung hat eh nur kosmetische Gründe, ideologische Unterschiede zum historischen Vorbild sind kaum erkennbar und wohl auch nicht gewollt.
Trotz des ganzen Aufwands kamen wieder weniger Teilnehmer zu der Kundgebung, was der inzwischen veröffentliche Bericht des FNS auch eingestand. Demonstrierten in Schweinfurt noch knapp unter 1.000 Rechtsextremisten und im Vorjahr in Hof etwa 450, schätzte die Polizei die Teilnehmerzahl auf nur noch 350. Die Neonazis rund um Matthias Fischer gaben nach zunächst 500 Teilnehmern gegen Ende ihre Zahl mit 400 an. Ein weiterer Rückschlag für die rechte Szene. Zwar zog mit Sicherheit die zeitgleiche Demonstration in Erfurt einige mögliche Teilnehmer ab, andererseits gab es im süddeutschen Raum mit der (gescheiterten) NPD-Demo in Frankfurt nur eine weitere Demo, ausgerichtet von der nicht bei allen „freien Kräften“ gern gesehenen Partei um Holger Apfel. Zudem konnte das Freie Netz Süd auch einige Teilnehmer mobilisieren, die sonst eigentlich eher im Umfeld der Jungen Nationaldemokraten (JN) um Sven Diem unterwegs sind.
Die Teilnehmer kamen größtenteils aus Bayern. So marschierte als wohl größte Einzelgruppe der Fränkische Heimatschutz (Coburg) in Gruppenshirt und mit Banner im Demozug mit. Lokale Aktivisten trugen ein Banner der sog. Freien Kräfte Würzburg. Daneben beteiligte sich die RNJ Vogtland wieder am Aufmarsch, eine Gruppe aus der Lausitz, sowie Gruppen aus Hessen und Baden-Württemberg. Aus dem Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen nahmen die beiden Weißenburger Martin und Danny B. und Joshua W. aus Treuchtlingen teil (Anm. d. Red.). Wohl erstmalig wurde auf einer Demonstration in Bayern auch ein Banner der Partei um Christian Worch „Die Rechte“ getragen. Etliche Pflaster und Aufkleber an Armen und Hals deuteten auf eine größere Zahl verbotener Symbole und Parolen hin, die während der Demonstration abgeklebt wurden.
Die Rechtextremisten versammelten sich in den späten Vormittagsstunden am Bahnhof. Wie schon bei der Kundgebungstour Ende März verkleideten sich auch am 1. Mai Kundgebungsteilnehmer mit Merkel-Maske, als „Uncle Sam“, als Kapitalist mit Geldkoffer und als Arbeiter, ohne aber größer in Aktion zu treten. Gegen 14.00 Uhr setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung. Am Haugerring, ging es an etlichen Häusern vorbei, vor denen Stolpersteine an die in der NS-Zeit ermordeten jüdischen Bewohner erinnerten.
Über das Lautsprecherfahrzeug, das offen erkennbar bei Sixt angemietet worden war, verbreitete der FNS-Kader Kai-Andreas Zimmermann während der Fahrt Parolen wie „1.Mai, seit 33 arbeitsfrei“. Mit Sprechchören wie „Alles für Volk, Rasse und Nation“ ging es über die Prymstraße und Theresienstraße bis kurz vor das Sozialgericht in der Ludwigstraße. Nach den von der Main-Post veröffentlichten Demorouten wollte man eigentlich über den Berliner Platz vor das Gericht ziehen. Diese Route wurde wohl aufgegeben. Von dort skandierten mehrere hundert Menschen Parolen gegen den Nazi-Aufmarsch. So blieb den Neonazis nur eine unattraktive Straße als Kundgebungsort. Viele Teilnehmer dürften das Gericht nicht mit eigenen Augen gesehen haben.
Die Aufstellung zu einem langen Schlauch dauerte knapp zehn Minuten, bis die Ordner mit dem Bild zufrieden waren. Bei der ersten Kundgebung verlas Matthias Fischer ein Grußwort eines ungarischen Neonazis und eine tschechische Rechtsextremistin kam zu Wort. Robin Siener, FNS-Aktivist aus der Oberpfalz und stellvertretender Vorsitzender der Bürgerinitiative Soziale Alternative Oberpfalz verlas im Wechsel mit ihr eine Übersetzung.
Über die Ludwigstraße und die Handgasse ging es in die Semmelstraße bis kurz vor das SPD-Büro. Wieder musste die Kundgebung an einem eher unattraktiven Ort in einer langgezogenen Reihe stattfinden. Vor dem SPD-Büro hatten sich etwa 30 Menschen vorwiegend aus dem Umfeld der Parteijugend eingefunden und protestierten gegen die Kundgebung. Die Polizei hatte sonst die Demonstration der Neonazis über weite Strecken weiträumig abgesperrt, z.T. mit zwei Gitterreihen und so protestierende Bürgerinnen und Bürger teilweise nur auf 100 Meter an die Neonazis herangelassen.
In der Semmelstraße redeten dann der ehemalige unterfränkische Bezirksvorsitzende der NPD, Uwe Meenen (heute Berlin, Bund Frankenland), Fischer (Fürth) und der Schweizer Rechtsextremist Philippe Eglin.
Am lautesten wurden dabei z.B. rassistischen Thesen nach einer „Ausländerrückführung“ applaudiert (Fischer). Eglin bezeichnete Asylsuchende als Gesetzesbrecher, die „in ihrem Land kriminell“ werden, und „dann zu uns“ [sic] kommen.
Das Volk würde, so Eglin, nicht nur durch die politische Aufteilung in „Linke und Rechte, Konservative, Katholiken und Protestanten gespalten“ sondern auch durch den „Feminismus“. Dieser würde nicht die Rechte der Frauen bestärken, sondern nur eine zusätzliche Arbeitskraft wollen. In seinem Gegenbild einer Familie geht „nur der Vater arbeiten“. Er forderte unter Applaus der versammelten Rechtsextremisten den Zusammenschluss von Deutschland, Österreich, der Schweiz und Randgebieten zu einem „großen Reich“.
Die angekündigte Rede von Thomas Wulff fand nicht statt. Der in der Szene „Steiner“ genannte Neonazi schafft es, durch eine Autopanne gehindert, nicht nach Würzburg. So entfiel der vermutete radikale Höhepunkt.
Über die Neutorstraße und Haugerring ging es zurück zum Bahnhof. Obwohl die Strecke keine 2 km lang war, hingen dort einige Rechtsextremisten schon erkennbar in den Seilen und nutzen jede sich bietende Sitzgelegenheit. Fischer ergriff dort abschließend das Wort. Er versuchte den Teilnehmern mit Blick auf die Situation in Griechenland, wo die Nazipartei „Goldene Morgenröte“ angeblich großen Zulauf hat, Mut zu machen.
Dieses Eingeständnis eigener Schwäche hört man in letzter Zeit häufiger in rechtsextremen Reden. Sie setzen ihre Hoffnungen ganz auf ökonomische Krisen und beschwören bürgerkriegsähnliche Zustände herauf. Außerhalb dieser Extremsituationen sehen sie wohl auch selbst keine Anzeichen und Hoffnungen mehr, die Mehrheit der Menschen von ihren rassistischen Positionen überzeugen zu können. Der lokale FNS-Aktivist Mattias Bauernfeind beendete die Kundgebung kurz nach 16.30 Uhr.
Wie schon fast üblich, wurde die Arbeit der Medien rund um die Demonstration durch die Rechtsextremisten behindert. Schon auf der Hinfahrt wurde am Nürnberger Bahnhof ein Fachjournalist angegangen. Am Sammelpunkt am Bahnhof blieb es dann relativ friedlich. Während des Demonstrationszuges und der Kundgebungen waren die Störungsversuch am deutlichsten. Teilweise versuchten zwei Ordner im Verbund, Aufnahmen vom Demonstrationszug zu verhindern. Während einer Pause wurde ein Fachjournalist unter den Augen eines Ordners und der Polizei körperlich angegangen.
Teilweise willkürlich versuchten Ordner zudem Zonen außerhalb des eigentlichen Demonstrationszuges zu schaffen, in denen sich nach ihrer Meinung keine Journalisten aufhalten sollten. Ermahnungen der Polizei an den Versammlungsleiter führten nur zur kurzen Pausen und hämischen Durchsagen über das Lautsprecherfahrzeug. Die Behinderungen trafen dabei auch die lokalen Medien, besonders Vertreter der Main-Post.
Fast ungehindert konnten auch auf dieser Demonstration sog. Anti-Antifa-Fotografen bewegen. Sie wurden von der Polizei kaum daran gehindert, nah an die Absperrungen heranzurücken und Gegendemonstranten gezielt abzulichten. Besonders makaber, wenn von Seiten einzelner rechtsextremer Redner immer wieder betont wird, sich mindestens zweimal im Leben zu sehen.
Gegen den Aufmarsch protestierten mehrere tausend Bürgerinnen und Bürger mit einem Demonstrationszug durch die Stadt. Am Unteren Markt fanden sich nach den Schätzungen der Polizei über 8.000 Menschen ein. Auf der Bühne erinnerte Werner Neugebauer auch an Situation von 1933 und die politischen Fehler der damaligen Zeit, die zur Unterschätzung der Nazis führten. Auf dem Markt präsentierten Parteien, kirchliche Initiativen und Bündnisse gegen Rechts an Ständen ihre Arbeit und verteilten Informationsmaterial.
Quelle: Endstation Rechts Bayern