Offener Protestbrief zum Auftritt von Wilhelm von Gottberg

Der Ewiggestrige Wilhelm von Gottberg – Foto: CC-BY-SA Mef.ellingen (Wikipedia)

An
die Leitung des Kulturzentrums Ostpreußen in Ellingen
den Förderverein für das Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen

In Kopie an
das Jüdisches Museum Franken
den Bezirkstagspräsidenten von Mittelfranken
die Fraktionen im Bezirkstag von Mittelfranken
die Nordbayerischen Bündnisse gegen Rechts
die Presseorgane

Sehr geehrte Damen und Herren,

Schon seit Jahren beobachten wir interessiert die Öffentlichkeitsarbeit des Kulturzentrums Ostpreußen in Ellingen. Die Kunst und Kultur der deutschen Bevölkerung im ehemaligen Ostpreußen wird von ihm sorgsam gepflegt. Die Ziele des Fördervereins, die Zusammenarbeit mit Künstlern, Jugendlichen und verschiedenen Einrichtungen im ehemaligen Ostpreußen zu unterstützen, werden offenbar gut umgesetzt. So fanden auch Ausstellungen über Menschen aus dem ehemaligen Ostpreußen in Ellingen ihren Platz, die sich kulturell um das ehemalige Ostpreußen verdient gemacht haben, ohne sich von der Propaganda der Nazis einbinden zu lassen.

Während in den vergangenen Jahren Geschichtsrevisionismus oder auch Geschichtsrevanchismus in keiner Weise gefördert wurden, scheint sich dies nun allerdings angesichts der Feierlichkeiten zum 30-jährigen Bestehen des Kulturzentrum Ostpreußen sowie des 15-jährigen Bestehen des Fördervereins für das Kulturzentrum Ostpreußen in Ihrem Haus geändert zu haben.

Als äußerst kritikwürdig kann man nämlich die Auswahl des Führungspersonals der Landsmannschaft Ostpreußen ansehen, welche Partner des Kulturzentrums Ostpreußen ist. Noch immer stehen an seiner Spitze rechte Personen mit krudem ideologischem Weltbild. Personen also, die die leidvollen Ergebnisse, des von der faschistischen deutschen Führung im Deutschen Reich ausgelösten 2. Weltkrieges, nicht akzeptieren wollen und noch immer die Schuld für das Leid der Bevölkerung im ehemaligen Ostpreußen bei der Anti-Hitler-Koalition sehen. Einer davon ist Wilhelm von Gottberg, Vorsitzender des Stiftungsrats der Ostpreußischen Kulturstiftung, Altsprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Vizepräsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), Kuratoriumsmitglied der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen sowie Präsident der Generalversammlung der Europäischen Union der Flüchtlinge und Vertriebenen (EUFV).

Genau diesem mittlerweile parteilosen Politiker, der in der Vergangenheit dem äußersten rechten Rand der CDU Niedersachsen angehörte, hat nun das Kulturzentrum Ostpreußen bei seiner Feierstunde eine Bühne zur Verfügung gestellt. Dies wollen wir nicht einfach so unkommentiert lassen. Auch wenn sich Herr von Gottberg, laut eines am 10. Mai 2012 im Weißenburger Tagblatt erschienenen Berichts, „nur“ mit der scheinbar harmlosen Aussage hervorgetan hat, dass die 750-jährige Geschichte Ostpreußens nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann, so ist auch schon dies so auslegbar, dass er die Endgültigkeit der östlichen Grenze der Bundesrepublik Deutschland infrage stellt. Der Verzicht der ehemaligen DDR im 1950 geschlossenen Görlitzer Vertrag, durch den die Oder-Neiße-Linie als Grenze zu Polen anerkannt wurde, sowie, wenn man dies nicht anerkennen möchte, der deutsch-polnische Grenzvertrag vom 14. November 1990 sind feste Bestandteile zur Sicherung eines Europas des Friedens und der Völkerverständigung.

Wilhelm von Gottberg scheint allerdings der Friede und die Völkerverständigung nicht im Sinne zu sein, wenn er immer wieder öffentlich eine „Rückkehr in unsere Heimat Ostpreußen“ einfordert und damit das „Menschenrecht auf die Heimat“ für die „Deutschen und ihre Nachkommen realisiert“ sehen möchte. Die Schuld der faschistischen deutschen Reichsregierung und die deutschen Kriegsverbrechen im 2. Weltkrieg komplett ausblendend, äußerte er, laut dem deutschen Wikipedia, im Juli 1998 im Berliner Rathaus Schöneberg: „Wir warten schon lange auf eine offizielle Bitte um Vergebung durch Polen, Tschechien und Russland für die völkermordartigen Vertreibungsverbrechen“ (Jungle World vom 22. Juli 1998).

Bereits seit Mitte der 90er Jahre fällt Wilhelm von Gottberg immer wieder durch seine rechte Gesinnung negativ auf. Als ein Beispiel kann dafür sein Einsatz für den rechtsradikalen „Schulverein zur Förderung der Russlanddeutschen in Ostpreußen e.V.“ angeführt werden. Der bereits 1992 in Husum vom rechtsradikalen Verleger Dietmar Munier gegründete Verein gehört zu einem Gestrüpp von Vereinen, die im russischen Teil des ehemaligen Ostpreußens durch Ansiedlungen von Russlanddeutschen deutsche Gebietsansprüche auf diese Region demonstrieren wollen. Dietmar Munier selber äußerte sich folgendermaßen: Man hätte eine Initiative gestartet, „[um]durch Ansiedlung Russlanddeutscher in Nordostpreußen neue Fakten für eine deutsche Perspektive unserer Ostprovinz zu schaffen“ (Rundschreiben 1/1992 der „Aktion Deutsches Königsberg“). Das Bundesministerium des Innern hat die Aktivitäten des Verlegers Munier im ehemaligen Nordostpreußen bereits 1993 als rechtsextreme Bestrebungen aufgelistet (Bundesministerium des Innern, Verfassungsschutzbericht 1993, S. 150). Nachdem auch noch das Auswärtige Amt in einem Bericht über rechtsextreme Aktivitäten des Verlegers Dietmar Munier gesprochen hatte, setzte sich Wilhelm von Gottberg im „Ostpreußenblatt“, sowie davor schon in einem Schreiben vom 27. März 1995 an das Auswärtige Amt unter dem damaligen Bundesaußenminister Dr. Klaus Kinkel, vehement für ihn ein („Ostpreußenblatt“ 13/95 vom 1. April 1995).

Auch der tatkräftige öffentliche Einsatz von Herrn von Gottberg in der Preußischen Landeszeitung für den wegen Antisemitismus aus der CDU ausgeschlossenen ehemaligen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann dürfte der Leitung des Kulturzentrums Ostpreußen nicht unbekannt gewesen sein. So hatte dieser Fall vor einigen Jahren die Gazetten der Bundesrepublik Deutschland gefüllt und sogar im Ausland für Aufmerksamkeit gesorgt. Rücksichtslos ging er damals auch gegen seine Kritiker vor. So strengte er die Entlassung des damaligen erfolgreichen Direktors des Ostpreußischen Landesmuseums in Niedersachsen, Dr. Ronny Kabus, wegen Illoyalität an, weil dieser vor der Bundestags-Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ angab, dass die Museumsarbeit belastet sei durch politische Statements des Stiftungsratsvorsitzenden (Hamburger Abendblatt vom 7. Januar 2005) .

Infolge der damaligen journalistischen Recherchen konnte man sehr schnell feststellen, dass die öffentliche Verteidigung der antisemitischen Rede von Martin Hohmann durch Wilhelm von Gottberg kein einzelner Ausrutscher von ihm war. Im Archiv des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung (DISS) entdeckte man weitere unsägliche Aussage von Wilhelm von Gottberg. So bezog er sich in einem geschichtspolitischen Aufsatz auf die Argumentationsmuster von Holocaust-Leugnern wie Mario Consoli. Dieser belegt den Holocaust mit Begriffen wie „Mythos“, „Dogma“ oder auch „jüdische Wahrheit“. Begrifflichkeiten also, die die historische Tatsache der fast vollständig durchgeführten Vernichtung der europäischen Juden infrage stellen (www.hagalil.com vom 17. Mai 2005).

Damit bereitete er dem damalige Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Christian Wulff, Bundespräsident a. D., einen richtigen Antisemitismus-Skandal in seinem CDU-Landesverband Niedersachsen. Wohl auch im Sinne von Christian Wulff äußerte der damalige Minister für Wissenschaft und Kultur, Lutz Stratmann, bei einer Sitzung des niedersächsischen Landtags am 27. Januar 2005, dem Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee: „Antisemitische Grundeinstellungen müssen in jedem Fall in aller Schärfe zurückgewiesen werden.“ Doch auf Distanzierungen von seinen eigenen Worten kann man bei einem Hardliner wie Wilhelm von Gottberg wohl lange warten.

Angesichts gerade der geistigen Nähe von Wilhelm von Gottberg zu Holocaustleugnern ist es für uns als Landkreisbündnis gegen Rechts Weißenburg-Gunzenhausen unverständlich, wieso ausgerechnet Alexander Küsswetter, als erster weiterer Stellvertreter des Bezirkstagspräsidenten von Mittelfranken und Vorsitzender des Trägervereins Jüdisches Museum Franken in Fürth, auf einer gleichen Veranstaltung wie Wilhelm von Gottberg auftreten kann und sich dann auch noch mit ihm auf einem Foto ablichten lässt. Wir fordern von Ihm diesbezüglich eine Erklärung ein.

Von der Leitung des Kulturzentrums Ostpreußen in Ellingen erwarten wir in ihrer Arbeit keinen Vorschub zu leisten für Rassismus, Rechtsradikalismus und vor allem Antisemitismus. Weder in ihrer wichtigen Arbeit zum kulturellen Leben der deutschen Bevölkerung im ehemaligen Ostpreußen noch in der Auswahl der Ehrengäste sowie Grußwortredner/innen bei Ihren öffentlichen und nichtöffentlichen Veranstaltungen sowie Versammlungen.

Auch Geschichtsrevanchismus und Geschichtsrevisionismus sind hoffentlich keine Ziele des Vereins und der Leitung des Kulturzentrums Ostpreußen. Zu einer Klärung dieser offenen Punkte stehen wir als Landkreisbündnis gegen Rechts Weißenburg-Gunzenhausen gerne zur Verfügung.

Sprecherrat des Landkreisbündnisses gegen Rechts Weißenburg-Gunzenhausen
Erkan Dinar, Harald Dösel und Victor Rother

Ein Gedanke zu „Offener Protestbrief zum Auftritt von Wilhelm von Gottberg“

  1. An alle Bürgerinnen und Bürger in der Region Ansbach/Weißenburg-Gunzenhausen !
    An alle UnterstüterInnen des Landkreisbündnisses gegen Rechts Weißenburg-Gunzenhausen !

    Es ist unerträglich, wenn heute noch (67 Jahre nach Kriegsende) dem Geschichts-Revanchismus bzw. Revisionismus das Wort geredet und eine öffentliche Bühne geboten wird.

    Ich protestiere ganz persönlich und als Mitglied des Geschäftsführenden Landesvorstandes DIE LINKE Bayern und besonders in Solidarität mit dem Landkreisbündnis gegen Rechts Weißenburg-Gunzenhausen gegen das unerträgliche Verhalten und Vorgehen dieser Geschichts-Revisionisten und ihrer Unterstützer !

    Das alles entspricht nicht Geist und Inhalt des Grundgesetzes und der Bayerischen Verfassung !

    Solidarische Grüße

    Wolfgang Ziller (Schweinfurt)

    Mitglied des Geschäftsführenden Landesvorstandes DIE LINKE Bayern
    Mitglied Bundesausschuss DIE LINKE

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