Weißenburg: Gedenken zum 70. Jahrestag des Weltkriegsendes

Auch zum 70. Jahrestag zum Ende des 2. Weltkriegs fanden sich bereits im zehnten Jahr in Folge nur ein Dutzend Menschen zum 8. Mai auf dem Weißenburger Russenfriedhof zu einer Gedenkveranstaltung ein. Die musikalische Begleitung übernahm die Klesmer-Gruppe Jokkel aus Gunzenhausen. Die Stadt Weißenburg möchte auch weiterhin den Tag der Befreiung vom Hitler-Faschismus nicht mit einer eigenen Veranstaltung begehen. 

Südöstlich der Stadt, mitten in den Obstgärten zwischen den Wohngebieten am Gartenfeld und den Sommerkellern, befindet sich der Russische Friedhof auf dem Gelände des ehemaligen Fallhauses. Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden hier die Überreste von Tieren, denen man zunächst im nahe gelegenen Fallhaus die Haut abgezogen hatte, vergraben. Da man die durch grausamen Haftbedingungen und Zwangsarbeit vestorbenen Gefangenen des 2. Weltkrieges im Internierungslager auf der Wülzburg nicht auf dem gemeindlichen Friedhof bestatten durfte, wurde dieses Areal von den Nazis den Toten zugewiesen.

Durch Scham und vermutlich politisch gewolltes Schweigen im Nachkriegsdeutschland geriet das Gelände in Vergessenheit. Erst 1989 wurde die Anlage von der Stadt Weißenburg zu einem Mahnmal umgestaltet, weil ehemalige russische Gefangene den Verscharrungsort aufsuchen wollten. Heute finden sich drei mit Blumen bepflanzte Gräberreihen und 40 kleine Kreuze auf dem Friedhof. Kurz wieder ins Stadtbewusstsein geriet das Gelände 1995 als die katholische Kirchengemeinde Weißenburg eine dreieckige Gedenkstele aus Jurastein aufstellte. Diese Gedenkstele symbolisiert die drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam, denen die Inhaftierten angehörten.

In seiner Rede (Siehe hier) betonte Stadtrat Erkan Dinar (DIE LINKE), dass ein Teil der deutschen Bevölkerung sich nicht erinnern möchte. Sie wolle nichts hören von Faschismus und starker Führung, sondern von der Schande und von der Erinnerung daran befreit sein. Wie aber soll diese Befreiung möglich sein, wenn die Erinnerung erst gar nicht zugelassen werde. Der Rassismus der NS-Diktatur habe seine menschenvernichtende Ideologie gegen viele Gruppen gerichtet: Arme, Arbeitslose, gleichgeschlechtlich Liebende, behinderte Menschen, Ausländer, Sinti und Roma, politische Gegner des Systems. Und heute würde man eben jene Ressentiments auch wieder in der Bevölkerung finden.

Gerade darum sei man verantwortlich, die Erinnerung an die Verbrechen der Vergangenheit wach zu halten und der Nachwelt aufzuzeigen, wie es damals gewesen sei, wie es dazu kommen konnte, damit künftige Generationen daraus lernen könnten und begreifen, dass Hass und Gewalt, Hass und Gewalt nach sich ziehen. Es sei ein langer Weg gewesen, den die Deutschen zurücklegen mussten, um begreifen zu können, dass die deutsche Niederlage ein Tag der Befreiung war. Der 8. Mai sei deshalb noch immer die wichtigste Probe für unsere Fähigkeit und Bereitschaft, sich mit unserer Geschichte auseinanderzusetzen, sie anzunehmen.

Auch in diesem Jahr blieb die Stadt Weißenburg der Veranstaltung fern. Der letztjährigen Bitte von Stadtrat Dinar auf dem Russischen Friedhof eine würdevolle offizielle Veranstaltung der Stadt Weißenburg durchzuführen, habe der Oberbürgermeister der Stadt Weißenburg Jürgen Schröppel leider nicht entsprochen. „Er verwies in einem Gespräch darauf, dass die Veranstaltung am Volkstrauertag doch genügen müsse. Ich finde, sie genügt nicht“, so Dinar.

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